Die Glasübergangstemperatur von Polymeren

Die Bedeutung der Glasübergangstemperatur (Tg) für den Kunststoff-Spritzguss


Bei der Konstruktion von Teilen für den Kunststoff-Spritzguss gibt es eine wichtige, aber oft übersehene Materialüberlegung. Dabei geht es um die Glasübergangstemperatur, kurz Tg. Wir werden uns später mit den zugrundeliegenden wissenschaftlichen Aspekten befassen, doch für den Moment sollten Sie im Auge behalten, dass es eine Temperatur gibt, bei der amorphe Materialien von einem glasartigen/starren Zustand in einen lederartigen/gummiartigen Zustand übergehen.

Was versteht man unter der Glasübergangstemperatur (Tg)?

Die Glasübergangstemperatur ist die Temperatur, bei der ein amorphes Polymer von einem harten/glasartigen Zustand in einen weichen/lederartigen Zustand übergeht, oder umgekehrt. Die Tg steht in direktem Zusammenhang mit der Festigkeit und den Einsatzmöglichkeiten eines Materials in einer bestimmten Endanwendung. Die Glasübergangstemperatur ist mit den mechanischen Eigenschaften eines Polymers verknüpft. Dazu gehören die Zugfestigkeit, die Schlagfestigkeit, der Elastizitätsmodul und der Betriebstemperaturbereich, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.

Glass Transition Temperature (Tg) Chart

Abbildung 1: Biegemodul vs. Temperatur

Amorphe vs. Teilkristalline Polymere

Es gibt zwei Klassen von Polymeren: Thermoplaste und Duroplaste. Thermoplastische Polymere werden außerdem in zwei Gruppen unterteilt: amorphe, wie Polycarbonat (PC) und Polystyrol (PS) und halbkristalline, wie beispielsweise Polypropylen oder Acetal.

Um hier eine genauere Betrachtung anzustellen, lassen Sie uns einen Exkurs zurück in den Chemieunterricht der Oberstufe unternehmen. Keine Angst, es wird nicht lange dauern. Wir beginnen am ersten Tag, wenn der Lehrer die Frage stellt: "Was sind Polymere?" Der Schlaumeier, der vorne sitzt und zum Spaß alte Sprachen studiert, weiß, dass „poly“ und „mer“ die griechischen Wörter für „viele Teile“ sind und kommt daher zu folgendem Ergebnis: „Polymere sind lange Ketten kleinerer Moleküle, die durch einen Prozess namens Polymerisation miteinander verbunden sind und deren Molekulargewicht im Bereich von Hunderten bis Hunderttausenden liegt.“

Polymerstruktur

  Thermoplastisch Duroplastisch
 Amorph  Kristallin
 Kettenstruktur Zufällig/Ungeordnet Geordnet/Stabil  Vernetzt
 Schmelzpunkt Nicht definiert/langsames Erweichen Eindeutig/kristalline Zersetzung  Kein Schelzpunkt
 Schrumpfrate Niedrig  Hoch   Niedrig
 Aussehen  Transparent   Lichtundurchlässig   Variiert
 Chemische Beständigkeit Niedrig  Hoch  Hoch
 Beispiele  ABS, PC, PS  PP, PET, POM  Epoxy, LSR

 

Lange Molekülketten

Was versteht man unter dem Molekulargewicht? Noch wichtiger, wen interessiert das? Es sollte jeden interessieren, der Kunststoffteile entwirft. Das Molekulargewicht eines Polymers bestimmt die Länge der eben erwähnten „langen Ketten“ und damit seine physikalischen Eigenschaften. Während beispielsweise ein Wasserstoffmolekül nur 1,01 g/mol (molare Masse) und ein Kohlenstoffmolekül 12,01 g/mol wiegt, kann ein einzelnes Molekül von Polyethylen hoher Dichte (HDPE) – das nichts anderes als eine Kette aus diesen beiden Molekülen ist – 250.000 g/mol oder mehr wiegen.

Ob Polyethylenterephthalat (PET)-Moleküle mit einem Gewicht von 8000 bis 31.000 g/mol oder Polystyrol (PS)-Moleküle mit einem Gewicht von 400.000 g/mol – diese Tausendfüßler-artigen Ketten von Monomeren, die die Bausteine der Polymere sind, ordnen sich entweder zu amorphen oder teilkristallinen Strukturen an.

Polymermorphologie

Amorphe Polymere haben eine zufällig angeordnete/ungeordnete Kettenstruktur. Unterhalb der Glasübergangstemperatur sind sie hart und spröde. Wenn sie erwärmt werden, erweichen sie langsam und werden lederartig/gummiartig. Dieser Übergang ist der Glasübergang. Bei weiterer Wärmezufuhr schmelzen sie allmählich (werden formbar), nachdem sie den Tg-Wert bis zu einer Temperatur überschritten haben, bei der das Polymer beginnt, viskos zu fließen. Gängige Beispiele für amorphe Polymere sind harte, steife Materialien wie Polystyrol (PS) und Polymethylmethacrylat (PMMA), die in ihrem glasartigen Zustand und weit unterhalb ihrer Glasübergangstemperatur verwendet werden.

Halbkristalline Polymere haben neben amorphen Bereichen stark geordnete kristalline Bereiche. Die amorphen Bereiche zeigen die eben bereits beschriebenen Eigenschaften. Bei teilkristallinen Werkstoffen hingegen bleiben die kristallinen Bereiche nach dem Überschreiten der Glasübergangstemperatur (Tg) stark geordnet und bilden die Struktur des Materials. Aus diesem Grund können viele halbkristalline Materialien auch oberhalb ihrer Tg verwendet werden. Teilkristalline Materialien wie Polypropylen (PP), das eine Tg von etwa -20 °C hat, werden oberhalb ihrer Tg in Anwendungen wie Gartenmöbeln verwendet, die in den warmen Sommermonaten robust und flexibel sind, in den kalten Wintern jedoch spröde werden können.

Thermoplastische Polymere weisen Vernetzungen auf, die ihre Ketten miteinander verbinden. Diese Verbindungen entstehen zwischen den Ketten, so dass ein großes Molekül gebildet wird. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal eine Bowlingkugel in die Hand nehmen. Durch die Vernetzung entsteht eine robuste Kettenstruktur, wodurch elastomere Materialien, wie beispielsweise Silikon, weit oberhalb ihrer Tg verwendet werden können. Andere thermoplastische Materialien werden normalerweise unterhalb ihrer Tg verwendet und sind recht starr, wie beispielsweise Phenole. Die Vernetzungen bilden derart starke Bindungen zwischen den Molekülketten, dass der Schmelzpunkt duroplastischer Materialien oberhalb ihrer Zersetzungstemperatur liegt.

Vor- und Nachteile von Polymeren

Amorphe Polymere sind oft transparent (Polycarbonat und Acryl sind zwei Beispiele) und nicht lichtundurchlässig, wie die meisten teilkristallinen Materialien. Sie haben in der Regel eine bessere Dimensionsstabilität und verziehen sich während des Formprozesses weniger leicht. Sie sind im Allgemeinen beständig gegen heißes Wasser und Dampf (man denke nur an Materialien für Sanitäranlagen) und haben eine gute Steifigkeit und Schlagfestigkeit. Wie bereits erwähnt, neigen sie dazu bei Wärmeeinwirkung allmählich weicher zu werden.

Teilkristalline Thermoplaste weisen aufgrund ihrer inneren Struktur sehr starke molekulare Bindungen auf. Durch diese Eigenschaft sind sie resistent gegenüber aggressiven Chemikalien. Wie Teflon, bieten viele von ihnen einen niedrigen Reibungskoeffizienten und sind daher eine gute Wahl für Lager- und Verschleißflächen oder bei starker struktureller Belastung. Sie sind auch wesentlich beständiger gegen Materialermüdung als amorphe Polymere. Sie werden bei Wärmeeinwirkung weicher, können jedoch oberhalb ihrer Tg verwendet werden, da die kristallinen Bereiche ihre Struktur bis zur Schmelztemperatur des Polymers beibehalten.

Mit ihrer vernetzten inneren Struktur weisen Duroplastische Werkstoffe eine sehr gute chemische Beständigkeit, Formstabilität und Wärmebeständigkeit auf. Thermoplastische Materialien variieren von transparent zu lichtundurchlässig. Sie können elastomer oder starr sein. Ebenfalls können sie ober- und unterhalb ihrer Tg verwendet werden und haben keinen Schmelzpunkt.


Tg for Common Molded Plastics

Material Tg in degrees Celsius
GPPS - Universell einsetzbares Polystyrol 100
HDPE - Polyethylen mit hoher Dichte -120
LCP - Flüssigkristallpolymer 120
LSR - Flüssigsilikon -125
PC - Polycarbonat 145
PEEK - Polyetheretherketon 140
PEI - Polyetherimid 210
PMMA - Polymethylmethacrylat 90
PP - Polypropylen (ataktisch) -20
PPS - Polyphenylensulfon 90
PSU - Polysulfon 190
SPS - Syndiotaktisches Polystyrol 100



Zweifellos haben wir es hier mit einem komplexen Thema zu tun. Wir hoffen, dass diese technischen Ausführungen dazu beigetragen haben, ein wenig mehr Klarheit in diesen Themenbereich zu bringen.
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